Rezension: Nyerges, András – „Nichtvordemkind“

(Voltomiglan)
Aus dem Ungarischen von Andrea Ikker
Budapest 2002 / Knaus 2007
ISBN: 978-3-8135-0281-7

András Nyerges erzählt spannend und ironisch von seiner Kindheit: 1944 in Budapest. Die Tragik fehlt nicht, doch aus der Sicht des Kindes nimmt sich manches unverständlich und komisch aus: Er ist 4 Jahre alt, lebt mit seinen Eltern und seiner verbitterten bigotten Großmutter Irén in einer ärmlichen Mietwohnung. Die Mutter darf als Jüdin ihrem Beruf als Tänzerin nicht mehr nachgehen, der Vater, Schneidergeselle und von ganzem Herzen Musiker, verdient den kümmerlichen Lebensunterhalt. Seine Mutter, Großmutter Irén, hat einen mörderischen Hass auf die Juden und macht allen das Leben schwer.
Die Großeltern mütterlicherseits wohnen vornehm, der geliebte Großvater Zsiga ist Naturwissenschaftler, die Großmutter Margit umgibt ihren Enkel András mit Liebe und Fürsorge.
Das Kind, nimmt alles wahr, kann aber die komplizierte Welt der Familie nicht verstehen:
Er erzählt von der ihm unverständlichen Kluft zwischen den Großeltern, von der Zeit, als Mutters Eltern plötzlich verschwinden. Ganz unbefangen berichtet er vom Leben im Luftschutzkeller, als er beide Eltern endlich ganz für sich hat. Dazwischen steht er fassungslos vor Iréns Ausbrüchen, die voll Neid und Hass auf die „gehobene Schicht“ sind, und die froh ist, als die ungeliebte Judenfamilie endlich verschleppt wird. Sie liebt nur ihren Sohn und ihr Enkelkind.
Später erzählt Nyerges aus der Sicht des Schulkindes von der Zeit, als der geliebte Großvater beerdigt wird und seine Eltern, Sozialdemokraten, „umerzogen“ werden zu Kommunisten. Sie sind dankbar, dass die Russen sie gerettet haben. Vor allem die Mutter möchte „dazugehören“ und nicht mehr abseits stehen.
Nyerges streut immer wieder Erkenntnisse über Zusammenhänge ein, die er als Heranwachsender und junger Erwachsener herausgefunden hat: Großmutter Iréns große Enttäuschung war nämlich ein Jude gewesen, der sie dann mit András’ Vater hatte sitzen lassen. Aus dieser hilflosen Situation heraus hatte sie ihrem Sohn den Eid abgepresst, sie niemals zu verlassen.
Als Ironie des Schicksals stellt sich allerdings heraus dass Iréns Vorfahren assimilierte Juden, Mutters Ahnen Adventisten waren.

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